Aktuelles

265. Bericht aus Berlin

18. März 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

der in der letzten Sitzungswoche vorgestellte Plan von Justizminister Buschmann zum Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) ist mutlos. Die Verkürzung von Aufbewahrungsfristen, Abschaffung von Hotelmeldepflichten, Streichung vieler Schriftformerfordernisse – das sind alles nützliche Verbesserungen, aber weder ein großer Wurf noch ein Gamechanger. Was wir brauchen ist ein grundlegend neues Konzept – einen echten „Neustaat“. Der muss auf allen staatlichen Ebenen stattfinden. Zum Bespiel im Parlament: Statt kleinteilig zu kontrollieren, müssen wir Ziele setzen und die Zielerreichung steuern. Wir brauchen bessere Gesetze – evidenzbasiert und wirkungsorientiert. Die Umsetzbarkeit von Gesetzen muss im Reallabor vorgeprüft werden. Die öffentliche Verwaltung braucht ein anderes Mindset: Eine Kultur des Ermöglichens und nicht des Verhinderns. Dazu müssen wir den Mitarbeitern in der Verwaltung mehr vertrauen und ihnen mehr Freiraum geben. Verwaltungsprozesse müssen konsequent am Bürger ausgerichtet und digitalisiert werden. Ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz ist nett – und sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung – aber wenn es dabei bleibt, ist es nicht mehr als „weiße Salbe“. Was wir brauchen ist eine echte Kernsanierung unseres Staates.

Herzliche Grüße

Ralph Brinkhaus

Meine Woche

Im EU-Ausschuss war in dieser Woche Wirtschaftsminister Habeck zu Gast. Einige wirtschaftspolitische Projekte der EU kommen leider seit längerem kaum voran. Dazu gehören zum Beispiel die Global Gateway Initiative und die zahlreichen geplanten Handelsabkommen. Den sogenannten EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) ist es erst kürzlich gelungen gemeinsam ein Freihandelsabkommen mit Indien abzuschließen. Angesichts der chinesischen Politik ist es wichtig für Deutschland und Europa Handelsbeziehungen zu anderen Partnern zu stärken. Hier würde ich mir viel mehr Tempo wünschen.

Über die Rolle von künstlicher Intelligenz in der nachhaltigen Entwicklung haben wir uns in der Sitzung des Beirats für nachhaltige Entwicklung informiert. Außerdem hat der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Dr. Wolf Reuter, einige kritische Fragen zum nachhaltigen Bundeshaushalt beantwortet. Meine Meinung: Wir können nicht wissen, vor welchen neuen Herausforderungen kommende Generationen stehen werden. Es ist deshalb unsere Pflicht die Staatsverschuldung so gering wie möglich zu halten.

In dieser Woche hatte ich gleich mehrere Gespräche im Rahmen meiner Funktion als Vorsitzender der Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe. Dabei ging es unter anderem um Entwicklungshilfeprojekte, aber auch um den „India-Middle East-Europe Economic Corridor“ (IMEC), einen geplanten Wirtschaftskorridor, der die wirtschaftliche Entwicklung zwischen Indien, dem Mittleren Osten und Europa unterstützen soll.

Beim Parlamentarischen Abend der Familienunternehmer am Mittwoch habe ich einige Unternehmer aus Ostwestfalen-Lippe getroffen. Der Sparkassen- und Giroverband hatte am Donnerstagabend zu Gesprächen eingeladen.

Thema der Woche

Das „German Vote“ ist zum geflügelten Wort in Brüssel geworden. Es bezeichnet die Unberechenbarkeit der deutschen Entscheidungen auf EU-Ebene. Deutschland hat sich in den letzten Jahren wiederholt zu wichtigen Themen in Brüssel enthalten, manche Vorhaben wurden kurz vor der Einigung noch überraschend gekippt. Nun wurde Deutschland bereits mehrfach von den anderen EU-Staaten überstimmt – zum Beispiel am Freitag beim umstrittenen Lieferkettengesetz, dem die EU-Staaten nun, trotz deutscher Enthaltung, zugestimmt haben.

Über die eine oder andere europäische Blockade, vor allem durch die FDP in der Bundesregierung, haben wir uns aus inhaltlichen Gründen sicherlich gefreut. Doch die Unberechenbarkeit der Bundesregierung richtet langfristig Schaden an. Die Bundesregierung verspielt derzeit die Reputation, die von Adenauer bis Merkel über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Es ist insbesondere ein Zeichen von mangelnder Führungsstärke von Bundeskanzler Scholz, wenn es der Regierungskoalition nicht gelingt in Brüssel verlässlich und mit einer Stimme zu sprechen. Das ist schlecht für Deutschland, aber noch schlechter für Europa. Denn Deutschland ist unter Bundeskanzler Scholz nicht mehr der Stabilitätsanker in der Europäischen Union.